Adel. Ritterwesen.
57
ich habe die Kränkung gewiß durch meine Sünden verdient."
Und fortan blieben sie die besten Freunde.
Ein ander Mal belagerte er die Burg eines Grafen Eber-
hard, mit dem er sich überwarfen hatte, und da er lange ver-
geblich davor lag, beschloß er endlich, sie durch List zu überrum-
peln; er ließ nämlich den Grasen zu einem Gastmahle in sein
Zelt einladen, und während des Festes sollten sich Otto's Krieger
aus die Burg werfen. Der Graf kam; nach der Mahlzeit wurde
getanzt; er tanzte mit Otto's Schwester, der schönen Hedwig, die
inniges Mitleid mit dem Manne empfand, der in der Zeit, wo
er sich so sorglos dem Vergnügen hingab, verrathen werden sollte.
„Es komme daraus, was da wolle," dachte sie, „ich will ihn
warnen; ehrlich währt ja am längsten." Sie flüsterte ihm also
zu, er solle sich vorsehen; das und das solle jetzt geschehen. Der
Gras dankte, schlich sich eilends fort, und als die Soldaten Otto's
anrückten, wurden sie wohlvorbereitet empfangen und zurück-
getrieben. Otto erfuhr bald die Ursache des Mißlingens; aber
er war gegen seine Schwester nicht ungehalten, und als der Gras
um die Hand seiner Wohlthäterin anhielt, gab er sogleich seine
Einwilligung.
Otto I. starb plötzlich 973 aus dem Schlosse Memleben in
Thüringen, und liegt zwischen seinen Frauen Edith und Adelheid
im Dome in Magdeburg vor dem Altare begraben.
59. Ritterwesen — Faustrecht — Turniere.
Schon bei den alten Germanen gab es einen Unterschied
der Stände; es gab Freie und Unfreie oder Rechtlose; und
unter Jenen, wie unter Diesen fand wieder ein Unterschied statt.
Die Freien schieden sich in gemeine Freie und edle Freie (Ede-
linge oder Adelinge), von welchen die letzteren allein die ursprüng-
lich Freien (die Semperfreien) waren, welche ein angebornes
Eigenthum, Allod, nach dem Erstgeburts-Recht vererbbar, be-
saßen. Außer ihnen gab es noch zins- oder dienst-pflichtige Hö-
rige (Leute, Liten) und Sklaven (Schalke), die als Kriegsgefan-
gene, im Spiel oder aus andere Art ihre Freiheit verloren hatten
und völlig rechtlos waren. Aus diesen Liten und Schalken, welche frei
gelassen werden konnten, bildeten sich die gemeinen Freien, die
aber erst in der dritten Generation in den Genuß aller Rechte
der Freien traten.
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T72: [Kloster Kirche Jahr Bischof Kaiser Karl Otto Dom Grab Leiche], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
Extrahierte Personennamen: Hedwig Otto Otto_I. Edith
58 Mittlere Geschichte. 2. Periode. Deutschland.
Aus diesen Standes-Unterschieden entwickelte sich in Folge
der Kriege und Eroberungen das L eh ns wesen des Mittelal-
ters, das sogenannte Fe udalsystem. Alles eroberte Land näm-
lich wurde unter die alten und neuen Besitzer getheilt, dergestalt
aber, daß das den Ueberwundenen belassene Land gewisse Zinsen
oder Leistungen zu gewähren hatte. Das übrige Land theilte
der Sieger unter seine Gefährten (Vasallen), wofür sie ihm zum
Heerbanll verpflichtet wurden. Aller Besitz ging also von dem
Landesherrn aus, er war der allgemeine Lehnsherr. Der König
erhielt aber durch das Recht der Eroberung noch einen beson-
dern Antheil an dem eroberten Lande für sich, welches er eben-
falls unter treue Diener vertheilte, aber nur zu lebenslänglicher
Nutznießung. Ebenso übertrugen die großen Grundbesitzer einen
Theil ihres Allods oder auch ihres Lehns geringeren Leuten als
Asterlehn und brachten so die kleinen Freien in ein Lehnsverhält-
niß, welches von diesen meistens auch aus dem Grunde gesucht
ward, weil sie dadurch von dem allgemeinen Heerbann befreit
wurden. Der Stand der Freien erhielt sich nur in den Baro-
nen, freien Grundbesitzern in Mitte der Vasallen.
Sie wurden Hintersassen der großen Grundherren. Das
ganze Staatswesen des Mittelalters bestand also aus einer Un-
masse ineinander verschlungener Privatverhältnisse, deren beleben-
des Princip die wechselseitige Treue war.
Zu der Zeit, wo der Adel allein den Stand der freien Leute
ausmachte, herrschte unter ihm noch eine entsetzliche Rohheit. Ohne
allen Unterricht in Wissenschaften aufgewachsen, hatten die Edel-
leute für nichts Anderes Sinn, als sich im Kriege mit dem Feinde
herumzuschlagen, oder, wenn es keinen Krieg gab, zu jagen und
zu zechen. Kräftig wuchsen sie heran, abgehärtet wurden ihre
Körper durch die beständige Bewegung; und da damals der
höchste Ruhm nicht darin bestand, der Tugendhafteste und Ver-
ständigste zu sein, sondern die stärkste Faust zu haben, so übten
sich die Edelleute schon von Kindheit an, sich herumzuschlagen,
zu reiten, zu jagen und zu fechten. Daher sehen wir auch jetzt
noch in den alten Rüstkammern oft schwere Panzer und Waffen,
die uns zu Boden drücken würden. Aber wir wollen diese un>
sere schwächere Natur nicht beklagen, da indessen dafür unser
Geist Riesenschritte gemacht hat. Die alten Ritter waren mei-
stens so unwissend, daß wenige von ihnen lesen und schreiben
konnten, und wenn einer seinen Namen unterschreiben sollte, so
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Die Hansa.
165
sam waren auch die Edelleute gegen ihre Fürsten. Jeder glaubte
ein Recht zu haben, zu rauben und sich mit Andern herumzu-
raufen, so viel wie er wollte, und so entstand denn eine allge-
meine Unordnung. Mit seinen Unterthanen verfuhr Jeder wie
ihm beliebte und untereinander wurde jede Streitigkeit gleich
mit dem Schwerte abgemacht. Ein Pfalzgraf ließ einmal seiner-
jungen Frau, blos weil er einen Verdacht auf sie geworfen hatte,
von einem seiner Knechte den Kopf abschlagen, ohne daß Jemand
nur daran dachte, ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Was noch das
Uebel vermehrte, war, daß die Kaiser im 11. und 12. Jahr-
hundert mehr in Italien als in Deutschland zu thun hatten und
daher nicht einmal viel Zeit behielten, die Ruhestörer in Deutsch-
land zur Ordnung zu bringen. Es ist schon gesagt worden, daß
man diese Unordnungen, wo Jeder sich nach Maßgabe seiner
Kräfte selbst Recht verschaffte, das Faustrecht nannte. Die
wilden Raubritter lauerten besonders aus die Kaufmannswagen
und Schiffe. Sahen sie von ihren Burgen herab in der Ferne
einen Fuhrmannswagen kommen, so saßen sie mit ihren Knechten zu
Pferde, legten sich in einen Hinterhalt und brachen auf die sorg-
los einherziehenden Kaufleute los, die dann alle Habe verloren
und noch froh sein mußten, wenn sie mit dem Leben und ge-
sunden Gliedern davonkamen. Eben so ging es den Schiffen, die
auf dem Rheine, der Elbe und andern deutschen Strömen die
Waaren von Stadt zu Stadt führten. Da nun alle Klagen
darüber bei dem Kaiser ohne Wirkung blieben, so dachteil die
Kaufleute selbst auf Abhülfe. Hamburg und Lübeck schloffen
zuerst einen Vertrag, gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts,
und bald trat auch Braunschweig dazu. Sie nannten das
Bündniß Hansa. (Hansa hieß in jeder einzelnen Stadt die
Kaufmannsgilde, welcher sämmtliche Großhändler derselben an-
gehörten. In Norddeutschland umfaßte diese Gilde meist alle
Leute des bessern Bürgerstandes und so wurde der Name „Hansa"
aus die zu Handelsunternehmungen verbündeten Städte über-
haupt übertragen.) Wenn nun Wagen von einem dieser Orte
zum andern fuhren, so zogen bewaffnete Soldaten mit, welche
von der Hansa aus gemeinschaftliche Kosten unterhalten wurden.
Wie wunderten sich nun die Raubritter, wenn sie solche Wagen
anfielen und von tüchtigen Soldaten gleich zurückgeschlagen wur-
den! Die andern Handelsstädte des nördlichen Deutschlands
fanden, daß dies eine herrliche Einrichtung sei, und wünschten
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Ortsnamen: Italien Deutschland Deutsch- Rheine Hamburg Norddeutschland Deutschlands
Fehmgerichte.
217
Avignon, der ihn gar in den Bann that*), war eine Quelle vie-
ler Verwirrung. Zwar zog Ludwig nach Italien, ließ sich in
Rom von einigen besonders dazu ernannten vornehmen Römern
krönen, erklärte den ihm feindlichen Papst in Avignon (Johann
Xxii.) für abgesetzt und ließ in Rom einen andern wählen;
aber die Römer, erbittert über eine ihnen aufgelegte Steuer und
über die Plünderungen der deutschen Kriegsknechte, empörten sich,
verfolgten ihn beim Abzüge mit Steinwürfen und verjagten sei-
nen Papst, der nun, nachdem er in die Hände seines erbitterten
Gegners, Johann Xxii, gefallen war, zu lebenslänglicher Ge-
fangenschaft verurtheilt wurde. Die Fürsten waren mit Ludwig
höchst unzufrieden und drei Jahre vor seinem Tode sagten sie
ihm geradezu: „Das Reich ist unter dir, Baier, sosehr verfallen
und geschwächt worden, daß man auf alle Art vorbeugen muß,
daß es nicht wieder an einen baierschen Fürsten gelange."
In der That war damals in Deutschland jede Ordnung
aufgelöst; überall Rechtslosigkeit, überall Fehde, Unterdrückung
des Schwächern durch den Stärkern und Ungerechtigkeit. Dies
gab Veranlassung zu der Entstehung der Fehmgerichte in West-
phalen, die von der Mitte des 13. bis gegen Ende des 15. Jahr-
hunderts bestanden zu haben scheinen. Die Freigerichte waren
wohl im Grunde nichts weiter als eine Fortbildung der alten
Grafengerichte über freie Männer und Grundbesitzer, worin über
eigentliche Vergehen derselben (Friedensbrüche) von Schöffen aus
ihrer Mitte geurtheilt wurde, nur daß sie ganz allmälig ihre Be-
fugnisse auch über die Grenzen ihrer Heimath und ihres Standes
ausgedehnt und einerseits freie Männer aus allen Theilen des
Reiches unter ihre Besitzer aufgenommen hatten, wie sie ander-
seits auch die Rechtsgiltigkeit ihrer Urtheile über ganz Deutsch-
land und alle Stände des Volkes mit Ausnahme der Geistlichkeit
behaupteten und durch ihre überall zerstreuten Mitglieder die
Execution derselben vollziehen ließen. Zugleich bildete sich aus
*) Der gegen Ludwig erlassene Bannfluch lautete: „Verflucht sei Ludwig
bei seinem Eingänge, verflucht bei seinem Ausgange! Der Herr schlage ihn mit
Wahnsinn, Blindheit und Tollheit! Der Himmel sende über ihn seine Blitze'!
Der Zorn Gotteö und der Apostel entbrenne gegen ihn in dieser und der zu-
künftigen Welt! Der Erdkreis kämpfe gegen ihn, der Boden öffne sich und ver-
schlinge ihn lebendig! Alle Elemente seien ihm entgegen! Sein Haus werde
öde! -Leine Kinder mögen daraus vertrieben werden und in die Hände Derer
fallen, die sie tobten!"
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Johann
Xxii Johann Johann_Xxii Johann Ludwig Ludwig Baier Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Apostel
Extrahierte Ortsnamen: Avignon Italien Rom Avignon Rom Deutschland
10
Mittlere Geschichte. 1. Periode. Deutsche.
nahm man zu einem sicherern Mittel, wie man glaubte, seine
Zuflucht, zu den Ordalien oder Gottesurtheilen. Hierbei,
glaubte man, übernähme Gott selbst die Entscheidung Die ge-
wöhnlichsten Ordalien bestanden aus folgenden: die Feuerprobe.
Der Angeklagte mußte vier und einen halben Schritt lausen mit
einem glühenden Eisen auf der flachen Hand; dann wurde diese
in ein Säckchen gebunden und versiegelt. War nach drei Tagen
keine Brandwunde da, so sprach man ihn als unschuldig los.
Aus eine ähnliche Art verfuhr man beim Kesselfange, wo der
Beschuldigte mit entblößtem Arme in einen Kessel voll kochenden
Wassers fahren und einen aus dem Grunde liegenden Ring
herausholen mußte. Bei der Wasserprobe wurde der Ver-
klagte an Händen und Füßen gebunden und so ins Wasser ge-
worfen; sank er unter, so zog man ihn geschwind als unschuldig
heraus; schwamm er, so wurde er als schuldig bestraft. Bei der
Kreuzprobe wurden der Angeklagte und der Kläger jeder an
ein Kreuz mit ausgebreiteten Armen hingestellt; wer zuerst er-
müdete, hatte den Proceß verloren. Oft wurde auch das Recht
durch einen Zweikampf erwiesen, und dies ist der Ursprung
der Duelle, die leider noch bei uns zuweilen vorkommen, zur
Schande unseres aufgeklärten Jahrhunderts. Daß alle diese
Mittel gar sehr unzuverlässig waren, sehen wir zwar jetzt wohl
ein; aber damals hatten die Leute den Glauben an eine un-
mittelbare Einmischung Gottes, den wir auch wohl noch hier und
da bei uns finden.
Wenn ein Stamm ein neues Land erobert hatte, so wurden
gewöhnlich die Besiegten Leibeigene und die Sieger Herren. Aus
diesen bildete sich dann der Adel. Der König oder Fürst ver-
theilte die Ländereien nach Gutdünken an seine treuen Begleiter,
doch so, daß er ihnen die Besitzung wieder nehmen und einem
Andern geben konnte, und wenn der Besitzer starb, so fiel sie
wieder an den König zurück, der sie dann aufs neue, entweder
an den Sohn des Verstorbenen oder an einen Andern, vergab.
Der Könrg war der Lehnsherr und der Besitzer sein Vasall
oder Lehnsträger. Man nennt diese Einrichtung die Lehns-
v er fass un g oder das Feudalsystem. Es wird weiter unten
(Abschnitt 59) noch davon die Rede sein.
War ein Franke oder ein anderer Deutscher von dem an-
dern getödtet worden, so ruhte der Sohn oder sonst der nächste
Verwandte des Ermordeten nicht eher, bis er sich gerächt, oder
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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32
Mittlere Geschichte. 1. Periode. Franken.
ihm der Papst eine schon bereit gehaltene Krone auf das Haupt,
salbte ihn zum römischen Kaiser, und die Kirche hallte zu-
gleich wieder vom freudigen dreimaligen Zurufe des Chors:
„Karl dem Großen, dem von Gott gekrönten, frommen und
friedbringenden Kaiser von Ronl, Leben und Sieg!" — Das
geschah am 25. December 800, und seit der Zeit pflegten die
deutschen Könige sich in Rom zu römischen Kaisern krönen zu
lassen, wenn ihnen auch in Rom selbst nichts gehörte. Karl
stellte sich sehr überrascht und sagte nachmals, wenn er das ge-
wußt hätte, wäre er an dem Tage nicht in die Kirche gekommen.
Indessen ist doch wahrscheinlich, daß die Sache vorher zwischen
ihm und Leo abgeredet war.
Seit dieser Zeit hat Karl etwas mehr Ruhe gehabt. Klei-
nere Kriege kamen zwar auch wohl noch vor, aber er konnte
doch nun mehr auf die Verwaltung seiner weiten Länder sehen.
Hierin erscheint er nun recht eigentlich als ein großer Mann;
denn er fand nicht nur eine größere Freude am Erbauen als am
Zerstören, sondern verstand auch, seine noch ungeschlachten
Franken allmälig zu bilden und die so verschiedenartigen Natio-
nen seines großen Reichs durch seinen mächtigen Willen und
seine weisen Gesetze zusammenzuhalten. Er schaffte überall die
alten Nationalherzöge ab und theilte das ganze Reich in Gaue
ein. An der Spitze eines jeden Gaues stand ein Gaugraf,
dem das Gerichtswesen und der Heerbann untergeben war. Die
Gemeinde-Gerichte wurden wöchentlich von den Centgrafen
abgehalten; monatliche Gau- oder Landgerichte hielt der Gaugraf
und zur Beaufsichtigung der Grafen in den verschiedenen Di-
stricten reisten zwei Sendboten (missi dominici), meist ein Geist-
licher und ein Laie, umher, um etwaige Beschwerden über die
Grafen anzunehmen, welche an den Pfalzgrafen, ursprünglich
den Vorsitzer des Gerichts in der königlichen Pfalz, gebracht
wurden. In den Grenzländern schützten die Markgrafen ge-
gen die feindlichen Einfälle.
Zog Karl in den Krieg, so wurde der Heerbann aufge-
boten; denn stehende Heere, wie jetzt, hatte man damals noch
nicht, und auch Karl hatte nur eine kleine Schaar stehender
Truppen. Alle, die von Karl ein Lehen erhalten hatten, auch
alle freie Besitzer von Ländereien, mußten dann aufbrechen mit
ihren Knechten. Lanze, Schild, Bogen. Pfeile, Helme und Panzer
brachte Jeder selbst mit. Geistliche blieben zu Hause; aber ste
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien]]
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Extrahierte Personennamen: Gott Karl Karl Leo Leo Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl
Bauernemancipation. Schamyl.
327
gegen war und die Bauern selbst nicht recht begriffen, was man
mit ihnen vorhabe. — Indessen obwohl bis jetzt alle Verhand-
lungen des Central-, wie des später eingesetzten Provinzial-
Comite's noch zu keinem Ziele geführt haben, hat doch eben so
wenig der Kaiser sein Ziel aufgegeben und die Festigkeit seines
Charakters bürgt dafür, daß er es erreichen werde?) Inzwischen
hat die russische Politik den Orient nicht aus den Augen gelassen,
zumal es ihm gelang, hinsichtlich derselben nods; während der
Pariser Conferenzen eine Verständigung mit Frankreich herbei-
zuführen, wie sich bei Behandlung der Donaufürstenthümer-
frage zeigte.
Den bei weitem wichtigsten Erfolg in Asien errang Rußland
1859 durch Besiegung und Gefangennehmung Sch am y ls, des
Tscherkessenhelden, mit dessen Beseitigung — allerdings zu früh
— die Unterwerfung des Kaukasus vollendet schien. — Dem
russischen Fürsten Boryatinsky gebührt der Ruhm, diesen lang-
wierigsten und gefährlichsten Gegner der russischen Vergrößerung
nach Osten besiegt zu haben. — Er hatte ihn in immer engere
Grenzen eingeschlossen und zuletzt auch sein Felsenfort Wedea
erobert. Mit nur 400 ihm bis in den Tod getreuen Märiden
floh Schamyl in den Süden Daghestans. Aber die Russen hefteten
sich an seine Fersen und erstürmten seine letzte Zufluchtsstätte, das
Felsennest Gunib, wobei alle Märiden bis auf 47 fielen.
Schamyl barg sich in einer Höhle, ergab sich aber auf die persön-
liche Aufforderung des Fürsten (8. Sept. 1859). Der Fürst ließ
ihm Dolch und Pistolen und schickte den gefangenen, damals *)
*) Die Emancipation ist inzwischen Thatsache geworden. Der Kaiser machte
seinen Entschluß durch ein Manifest vom 10. Februar bekannt, wo es u. A.
heißt:
„Durch das Vermächtniß unserer Vorfahren und durch die Vorsehung ist
uns das Loos geworden die Lage der Leibeigenen zu verbessern. Wir begannen
mit festem Vertrauen zu dem Adel des Reichs. Unser Vertrauen hat sich be-
währt. Das neue Gesetz gewährt den Leibeigenen volle Freiheit. Den Guts-
besitzern ist das Recht des Eigenthums ihrer Ländereien gewährt; sie überlassen
aber den Bauern deren Gehöfte zur fortwährenden Nutznießung nebst neuerdings
gesetzlich dazu bestimmtem Lande gegen gesetzliche Leistung von Abgaben. In
diesem eine Uebergangsperiode bezeichnenden Zustande heißen die Bauern: zeitweilig
Verpflichtete. Zugleich haben die Bauern das Recht, ihr Gehöft auszukaufen
und mit Zustimmung des Gutsherrn auch andere ihnen bis dahin zugetheilte
Ländereien zu kaufen. Dann werden die Bauern freie Landbesitzer. Diese neue
Ordnung muß binnen zwei Jahren überall allmälig eingeführt sein."
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Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Donaufürstenthümer- Asien Tscherkessenhelden Wedea
Vorbereitungen zum Befreiungswerke in Preußen.
91
jeder Beziehung ein schwerer Druck: eine Kriegsentschädigung und
Contributionen aller Art waren bis zu einer fast unerschwing-
lichen Höhe zu leisten, französische Besatzungen blieben in den
preußischen Festungen und bei seinen Kriegszügen durch preußi-
sches Gebiet stellte Napoleon immer neue willkürliche Forderun-
gen an das schwer geprüfte Land; auch wachte der fremde Ge-
walthaber mit strenger, eifersüchtiger Vorsorge darüber, daß Preu-
ßen kein größeres als das ihm beim Friedensschluß zugestandene
Heer unterhielt. Aber ungeachtet dieser Schwierigkeiten wußte
die warme ernste Vaterlandsliebe des Königs und einer Reihe
von patriotischen Männern die geeigneten Mittel und Wege zu
finden, um die innere Entwickelung und Erstarkung Preußens zu
fördern. Neben der Opferwilligkeit añer Classen der Einwohner
diente eine musterhafte Fiuanzverwaltung dazu, trotz der großen
Kriegskosten die Hülfsmittel des Landes wieder zu heben und zu
vervielfältigen, — nicht weniger war man bemüht, den freudigen
Patriotismus aller Volksclassen durch die Gewährung gewisser
bisher entbehrter Rechte und Freiheiten zu entwickeln. Unter den
Ministern von Stein und Fürst von Hardenberg wurden
den Bauern manche drückende Lasten der alten Erbunterthänig-
keit abgenommen, den Bürgern durch die Einführung einer frei-
sinnigen Städteordnung eine höhere Theilnahme am Gemein-
wohl eingeflößt. Viele geistliche Güter und Kapitel, deren Ein-
nahmen für die kirchlichen Zwecke nicht nöthig waren, wurden für
allgemeine Staatszwecke eingezogen, die öffentlichen Abgaben aber
gleichmäßiger als bisher vertheilt. Um die Wünsche des Volks
an den Thron gelangen zu lassen, wurde ferner eine Vertretung
der einzelnen Provinzen angeordnet. Vor Allem aber war das
Augenmerk der Staatslenker auf die Begründung einer tüchtigen
Wehrverfassung gerichtet, durch welche das preußische Volk
in den Stand gesetzt werden sollte, das fremde Joch, wenn die
Stunde geschlagen hätte, wieder abzuschütteln. Der wackere
Scharnhorst, welcher sich von niederem Stande durch Talent
und Tapferkeit bis zur Stelle eines Generals emporgearbeitet
hatte, schuf in Gemeinschaft mit Gneisenau und Grolmann
ein ganz neues Heerwesen, welches noch jetzt den Stolz und die
Kraft Preußens ausmacht. An die Stelle der früheren Söldner-
truppen trat die allgemeine Wehrpflicht aller dienstfähigen
Söhne des Vaterlandes und die Schöpfung der Landwehr,
durch welche es möglich wurde, trotz der Beobachtung der vorge-
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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TM Hauptwörter (200): [T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T71: [Deutschland Krieg Preußen Volk Napoleon Frankreich Macht Frieden Europa Land], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T35: [König Bismarck Wilhelm Kaiser General Minister Stein Berlin Graf Moltke]]
Extrahierte Personennamen: Napoleon Fürst_von_Hardenberg
11
men erhielt Heinrich nach Abtretung mehrerer Oerter seine
Freiheit wieder. .— Herzog Heinrich hatte sich erlaubt, die
Kirchengüter 'zu besteuern. Daraus entspann sich ein lang-
wieriger Streit mit dem Bischof Thomas Ii., wobei zwar
Heinrich den Bann Anfangs nicht ach^e, ^doch aber endlich
vor Ratibor sich mit Thomas persönlich aussöhnte, und sich der
Ausgleichungdesstreitcsdurchdenpäpstlichenlegaten, Phi-
lipp Bischof von Fermo, 1282 unterwarf, wodurch die
Rechte der Kirche festgestellt und nur in dringender Noth ihm
erlaubt wurde, von ihr ein Hülfsgeld zu verlangen. Seit-
dem wurde er so freigebig gegen die Kirche, daß er den Bei-
namen Probus (b. i. der Mildthätige, nicht der Fromme,
nach damaligem Latein) erhielt. — Durch eine hinterlistige
Gefangennehmung mehrerer seiner Vettern auf dem Schlosse
Baricz 1281 übte er mehr seine Rache gegen dieselben
aus, als daß er viel dadurch gewonnen hätte. — Er starb
1290, wie man sagt an Gift. Noch auf seinem Todbette
ertheilte er dem Bisthum ein großes Privilegium und dem
Bischof als Fürsten von Neiße das ganze herzogliche Recht,
und vertheilte sein Gebiet durch ein Testament unter seine
Vettern. — Breslau hat diesem Herzoge die Kreuzkirche
(1288), viele Freiheiten, als Brot-und Schuhbänke, das
Meilenrecht, das Recht der Innungen, das Schrotamt/
die Wage, die Niederlage zu verdanken. Er ist zugleich
derjenige der schlesischen Fürsten, der sich durch seine Kriegs-
züge unter König Ottokar gegen Rudolf von Habsburg, so
wie auch als Minnesänger einen auch außerhalb des Vater-
landes berühmten Namen gemacht hat.
.§ 20. Ihm folgte Heinrich, Sohn des liegnitzkschen
Herzogs Boleslaus Ii., nach freier Wahl der breslauifchen
Landstände, und heißt in der Reihe der breslauifchen Her-
zoge Heinrich V., 1290 — 96. Da nach dem Testa-
mente seines Vorgängers, Heinrich Iii. von Glogau Breslau
erben sollte, so entspann sich nun ein Streit zwischen beiden
Vettern. Heinrich vonglogau bemächtigtesich durch Lutko
TM Hauptwörter (50): [T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T7: [König Kaiser Rudolf Friedrich Sohn Böhmen Haus Karl Ludwig Albrecht], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T171: [Heinrich Otto Herzog Kaiser König Friedrich Sohn Konrad Sachsen Schwaben], T77: [Papst Bischof Kaiser Rom Kirche König Heinrich Erzbischof Gregor Papste], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T130: [Elbe Stadt Sachsen Provinz Saale Kreis Schlesien Elster Neiße Magdeburg]]
Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Thomas_Ii Heinrich Heinrich Thomas Bischof_von_Fermo Ottokar Ottokar Rudolf_von_Habsburg Rudolf Heinrich Heinrich Heinrich_V. Heinrich_V. Heinrich_Iii Heinrich Heinrich Heinrich
Wesen Schlesien von Polen sich absonderte. Die Herzoge,
deren viele deutsche Prinzessinnen zu Gemahlinnen hatten,
wollten den deutscheu Fürsten im Glanze ihres Hofstaates
gleich kommen; aber ihre Einkünfte, die im Ertrage ihrer
Landgüter, in Regalien, Grundzinsen und Abgaben be-
standen, reichten dazu nicht aus, selbst außerordentliche
Abgaben konnten ihre Ausgaben nicht decken. Daher kam
es, daß sie theil's ihre Güter, Zölle und Vorrechte verpfän-
deten, theils viele Rechte an Städte verkauften, und daß
so ihr Ansehen, besonders in den durch Theilungen klein
gewordenen Gebieten immer mehr sank. Dagegen wuchs
das Ansehen des Adels, welcher immer freier und unabhän-
giger wurde, sich immer mehr Rechte erkaufte und sich von
Lehnsverbindlichkeiten gegen die Fürsten immer mehr und
mehr losmachte.
§ 25. Nach der früheren polnischen Verfassung war
der Landbewohner im Stande der Leibeigenschaft und zu
vielen Diensten gegen seinen Gutsherrn so wie gegen den
Landesherrn verpflichtet, welche durch die fürstlichen Die-
ner noch auf's drückendste vermehrt und erzwungen wurden.
Die Einwohner der Städte waren nicht besser daran, und
mußten außer allerlei Diensten noch für Alles, was durch sie
öffentlich zum Verkauf gebracht wurde, Abgaben zahlen.
Die Städte waren gewöhnlich bei Burgen entstanden, in
denen ein Kastellan die Gerechtsame des Fürsten wahrnahm
und die Gerichtsbarkeit verwaltete.
§ 26. An die Stelle dieser polnischen Verfassung trat
nun nach und nach, und besonders in Niederschlesien, deut-
sche Verfassung, welche sich vorzüglich durch persönliche Frei-
heit, festgesetzte Dienstverhältnisse und eigenen Gerichtsstand
von jener älteren unterschied. Die anziehenden Deutschen
gaben die erste Veranlassung dazu; die von ihnen angeleg-
ten Dörfer erhielten eigene Gerichtsbarkeit unter dem Erb-
schulzen; die Bewohner, Bauern und Gärtner waren per-
sönlich freie Leute; aber hinsichtlich der ihnen obliegenden
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel]]
TM Hauptwörter (200): [T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]